Hallo Gegengerade,
heute richten wir unseren Blick über den Rhein zu unseren Freunden in Straßburg. Die aktive Fanszene rund um die Ultra Boys 90 steht aktuell in einem offenem Konflikt mit dem Investor BlueCo, dem Präsidium von Racing Straßburg – allen voran dem ehemaligen KSC-Spieler und heutigen Präsidenten Marc Keller – sowie Teilen der eigenen Anhängerschaft.
Die Ultra Boys 90 haben mit Racing nicht nur Höhen und Tiefen erlebt, sondern den Verein über Jahre hinweg überhaupt am Leben gehalten. Der Tiefpunkt kam 2011, als Racing nach massiver Misswirtschaft Insolvenz anmelden musste und in der fünften Liga neu startete. Auch in dieser Zeit
war die Kurve da. Sie hielt den Verein zusammen, gab den Fans Identifikation, lebte die Vereinswerte und kämpfte stets für eine freie, selbstbestimmte Fankultur.
Mit der Übernahme durch BlueCo hat sich vieles verändert. Der Einfluss des profitorientierten Investors ist mittlerweile sehr groß und das zeigt sich an vielen Stellen. Enge Verflechtungen mit dem Partnerverein Chelsea London sind Alltag. Spieler werden mit Rekordsummen verpflichtet, nur um wenige Tage später nach England verliehen zu werden. Solche Spielergeschäfte stellen eine klare Wettbewerbsverzerrung dar. Mittlerweile gab es 15(!) Spielertransfers zwischen Racing und London.
Ein kurzfristiger sportlicher Erfolg brachte neues Publikum ins modernisierte Meinaustadion. Dort gibt es mittlerweile große Shows, Eventbühnen, Funkensprühen beim Einlaufen oder nach Toren. Und das alles zu überteuerten Ticketpreisen. Das neue Publikum zeigt sich beeindruckt, läuft dem modernen Fußball meist blind und unkritisch hinterher. Der Investor und das Präsidium sehen sich darin bestätigt.
Als Mitte 2023 Racing Strasbourg durch den amerikanischen Milliardär Todd Boehly und seiner BlueCo-Gruppe übernommen wurde, protestierten die Ultra Boys schon unter dem Motto „Strasbourg ist nicht Chelsea“. Denn Racing ist nun das Farm-Team von Chelsea – ähnlich wie es Red Bull mit
den vielen Vereinen rund um den Globus macht. Dieser ‚Multi Club Ownership’ ist ein kranker Auswuchs des modernen Fußballs. Den neuen Racing Fans ist das wohl egal, ihnen wurde Erfolg versprochen – die Ultra Boys ahnten schon, dass sie damit die Unabhängigkeit des Vereins verlieren, weil am Ende Chelsea über allem steht. Ein Stimmungsboykott in den ersten 15 Minuten wird vom Großteil des Stadions ignoriert oder unterlaufen. Die Ablehnung gegenüber der aktiven Szene ist spürbar. Auch der Trainer und Mannschaftskapitän des Clubs setzten zuletzt ein deutliches Zeichen, als auf ihre Anweisung die Mannschaft nach dem Spiel der Kurve fernblieb. Ein symbolischer Akt, der die Spaltung zwischen Verein und Fanszene weiter vorantreibt. Denn für BlueCo und das Präsidium ist eine kritische, organisierte Fanszene ein Störfaktor und der Sand im Getriebe des modernen Fußballs. Sie bringt wenig Profit, kauft keinen überteuerten Merch, interessiert sich nicht für Werbe-Events. Genau diese Haltung passt nicht ins Konzept. Es wirkt, als wolle man gezielt eine
Spaltung der Fangemeinschaft. Und zwar vor allem zulasten der Kurve. Doch die aktive Fanszene hielt bisher mit ihren eigenen Mitteln stand: gelebte Fankultur, Proteste, Choreografien, organisierter Support, Stellungnahmen. UB90 war und ist jederzeit bereit für einen Dialog, der Verein nicht.
Die Situation in Straßburg ist vielschichtig und doch eindeutig. Wenn Kommerz und Konzerninteressen ungebremst walten, greifen sie an, was einen Verein und den Fußball ausmacht: gelebte Fankultur und ein aktives Vereinsleben. Die Repressionen gegen die Ultra Boys 90 in der vergangenen Woche überschritten jegliches Maß. Choreoverbote, personalisierte Tickets,
Einschränkungen beim Zugang zu den eigenen Räumen. Das alles ohne Eskalationen oder Gewalt. Vorausgegangen waren ausschließlich kreative Protestformen wie Spruchbänder und Meinungsäußerungen, sowie regelmäßige Infos an die Fanszene, um auf die Lage aufmerksam zu
machen.
Wir stehen hinter unseren Freunden in Straßburg.
Auch in Karlsruhe werden wir weiterhin genau hinschauen – und einflussreiche Investoren kritisch begleiten oder, wenn nötig, fernhalten.
Wir stehen für ehrlichen Fußball – nicht für gekauften Erfolg.
Fußball gehört den Fans!
Gegengerade Karlsruhe
(Dieser Text wurde im Original beim Heimspiel gegen Magdeburg am 27.09.2025 auf der Gegengerade verteilt.)